Ottmar Schmieling arrangiert sich mit Tennessee in einer gemeinsamen Moderation. Vor dem Mikrophon nennt er ihn ‚Blondie’.
Tennessee zweifelt an Ottmar Schmieling, „Kannst du überhaupt den Regler bedienen?“ Es wird gerüpelt. Hinterher behaupten beide, jetzt sei alles zwischen ihnen klar.
Auch sonst wirft sich Ottmar Schmieling ins Zeug. Er greift ein. Es herrscht Konzentration. Er hat die Angewohnheit, um Anweisungen zu erteilen, sich von hinten aus einem toten Winkel heraus anzunähern. Er streckt einem den Kopf, wie einer, der in einem Auto dem Fahrer vom Rücksitz aus bei starken Fahr- und Außengeräuschen etwas Wichtiges mitteilen will, fast bis ans Ohr. Es lässt einen zusammenfahren. Unwillkürlich tritt Abneigung ein. Dazu spricht er langsam und überartikuliert.
In einer Pause mit mir alleine auf dem Balkon, „Also ich kann mir ‚Deutschland’s next Supermodel’ mit der Heidi Klumm ansehen. Manche mokieren sich, wenn man so was guckt.“ Ich hebe die Schultern und nicke. „So ein Schinken wie den Zauberberg von Thomas Mann dagegen, da muss ich passen.“
Ich hebe wieder die Schultern.
Er gibt indiskrete Details über die klinische Depression eines Freundes, eines ehemaligen Marinetauchers, preis, ein Angebot aus Verrat auf dem Altar der Sympathiewerbung. Ich komme damit nicht zurecht. Sein Vater hätte überzogene Leistungsforderungen. „Für den haben eigentlich nur Staatsbeamte oder erfolgreiche Kaufleute einen ordentlichen Beruf.“
Ich versuche wenigstens einen: „Die Ossis hier halten einen immer noch alle für einen Loser, für einen, der nach der Wende nur deshalb hierher gekommen ist, weil er es im Westen niemals geschafft hätte. Ich höre seit über fünfzehn Jahren immer wieder: ,Die, die von euch hier rüber gekommen sind, sind doch sowieso immer alle nur dritte Garnitur’.“
„Die Wessis hier sind keine Loser. Im Gegenteil! Hier sind Verhältnisse, wo du, wenn du ’s drauf anlegst, Führungskraft werden kannst. Die Wessis bringen von vornherein Führungsqualitäten mit, verstehste!“
Ottmar Schmieling blickt ins Weite und schweigt. Ich schaue ihm eine Weile zu, stehe auf, verlasse den Balkon und gehe zurück in die Redaktion an meinen Arbeitsplatz Beiträge schneiden.