In einem ‚Seminar’ bei der Gründung des lokalen Fernsehens begegnete ihm Pat wieder. Tom hatte sich von der eigentlichen Initiatorin, der zukünftigen Fernsehchefin, die sich von einer Moderatorin beim Stadtradio zur Medienunternehmerin empor geschwungen hatte, zur Mitarbeit animieren lassen.
Im Gegensatz zum Bürgerradio, musste sie ein kommerzielles Programm entwickeln. Es galt, mit Verhandlungsgeschick riskante Finanzierungen zu akquirieren. Ihr Konzept musste Investoren überzeugen können.
Beim Stadtradio hatte sie in einer eigenen Abendsendung ihre mediale Präsenz entdeckt. Die Euphorie über das eigene Talent hatte ihr Schubkräfte verliehen, die ihr den Mut zu diesem Sprung auf Neuland gegeben hatten. Um Mitarbeiter zu gewinnen und Partner zu binden, veranstaltete sie dieses ‚Seminar’. Sie zog, soweit geeignete zu finden waren, Fachkräfte heran. Pat, eine dieser Expertinnen gab zur Einführung zu bedenken: „So was kostet andernorts mindestens dreitausend. Hier kriegt ihr ’s einschließlich einem Zertifikat am Ende des Seminars einfach so ausgestellt und überreicht.“
Sie referierte einen Nachmittag lang Basiswissen über Informationen, Nebenaspekte, Wiederholungen und Kurzfassungen, über Medien, Bild, Ton und Text, usw. Für den folgenden Tag hatte sie das geheimnisvolle Thema ‚Kacheln’ angekündigt. Manchmal würden im TV Menschen dargestellt, die in diesem Zusammenhang aus juristischen Gründen oder aufgrund von Geboten der Diskretion nicht öffentlich erscheinen dürften. Das wären Gelegenheiten, bei denen gekachelt werden müsste. Auf Videos führte sie in größere Quadrate zerlegte Gesichter vor. Das war ’s. Ihr Pulver war verschossen. Sie versuchte noch etwas, meinte, sie sollte von einem weiteren Referenten abgelöst werden. Keiner kam. Ihre Verlegenheit wurde als charmante Fehlleistung angenommen.
Die Gründerin, sie und eine junge Mutter bildeten das Ton angebende Trio des Seminars. Etwa zehn Teilnehmer hatten sich um die Mitarbeit beworben und zwei Referenten waren geladen.
Ein Zwanzigjähriger, so sauber als wäre er gerade nach dem Training mit Kernseife geduscht aus der Umkleide gekommen, bat darum, mit geeigneter Unterstützung Berichte über das Geschehen in der Vorstadt, in der er wohnte, übernehmen zu dürfen. „Den betreue ich.“
„Nein, ich krieg den.“
„Du spinnst wohl! Das ist meiner.“
Gelächter.
Die drei Frauen drehten auf, „Wir müssen für die Anwerbung von Leuten wie den eine Prämie anbieten.“
„ … und eine Extraprämie für Männer mit gutem Aussehen.“
„Sag‘ ich doch!“
Gekreische, Gelächter.
Tom traf sie wieder. Er saß in der Redaktion. Tumult auf dem Balkon, nichts war zu erkennen. „Was ist denn da los?“
„Wir haben doch jetzt öfter für den Oberbürgermeister die Bürgerversammlungen für die Sanierung im Nord-Viertel durchgegeben und haben ausführlich darüber berichtet. Als Dank hat er unseren Anfängern dafür eine Schulung bei einer Profi-Journalistin spendiert.“
„Was heißt Profi-Journalistin?“
„Die heißt Patricia Herberger. Die hat schon, angeblich auch bei den Grünen als Pressesprecherin zu tun gehabt. Die soll auch schon mal hier gewesen sein.“ Tom strich an der Ansammlung auf dem Balkon vorbei. Drei junge Männer umlagerten einen Klappstuhl. Aus der Tiefe des Stuhls blickte aus einem rötlichen Gesicht ein Paar geröteter Augen. Sie waren umrahmt von Ton in Ton rot gefärbten Haaren in einer 70er-Jahre ‚Afrolook’-Toupage. Die Jungen schnatterten und gestikulierten. Pat erkannte Tom. Sie schenkte ihm ein Nicken und auch das nur angedeutet.