Mit meiner Freundin, der Bratscherin, bin ich oft essen gegangen. Selbst zu kochen, habe ich mir eingebildet, war, verglichen mit der Arbeit im Büro, viel zu unproduktiv. Wir kannten die Restaurants der Stadt und die im Umkreis. Jetzt, allerdings, stand ich keinesfalls außerhalb, im Gegenteil.
Mit Vorliebe suchte ich Top-Restaurants, die ich früher wegen ihrer Preise eher gemieden hätte, auf. Mir eilte ein Ruf voraus. Die Empfehlung war mein ‚Kochtipp zum Wochenende’. Mein Partner, der Spitzenkoch Carlo, hatte häufig keine Zeit. Ich musste mich um Ersatz kümmern.
„Was halten Sie davon? Wir machen einen kleinen Beitrag über Ihre Küche. Ihr Name wird bekannt und wir können unseren Hörern etwas anbieten.“ Ich bat die Köche jeweils um einen Beitrag. Anfangs nahm ich mich noch selbst beim Wort. Mir war noch nicht bewusst, dass ich mit meiner Bitte vielmehr ein Angebot machte. „Sie haben doch bestimmt irgendetwas aus Ihrer Erfahrung als Küchenchef, was sich an Hausfrauen oder Hausmänner draußen in ihren Küchen weitergeben lässt. Das kann, ganz wie sie es für angemessen halten, etwas Einfaches oder Raffiniertes sein. Wir reden darüber, oder Sie führen es am Herd mit Zischen, Brutzeln, Hacken usw. vor. Die Geräusche beim Kochen teilen sich im Radio mit. Sie werden sich wundern, wie plastisch man mit akustischen Mitteln Bilder gestalten kann. Ich kann das beim Schneiden zeitlich raffen. Kein Problem!“
Viele ließen sich darauf ein. Manche mussten, bevor sie sich einen Stoß gaben, motiviert werden. Sie wägten ab. Kochen war ein Knochenjob. Radio machen könnte vielleicht den ersten Schritt zu Show-kochen bedeuten. Wer weiß, was den Ausschlag gab.
Meistens kommentierte ich, Schritt für Schritt, die Arbeit am Herd. Ich reduzierte im Schnittprogramm die Erklärungen des Kochs auf nachvollziehbare Kernsätze und legte dosiert auf einer Extraspur Arbeitsgeräusche unter. Das fertige Gericht zu probieren, war Bestandteil des Beitrags, mmmhh, köstlich! Ab und zu ließ einer der Küchenchefs am Tisch servieren oder lud mich ein, abends vorbeizukommen, in Begleitung, wenn ich wollte. Das Beste, was die Küche zu bieten hatte, einschließlich Aufklärung über Herkunft und Zubereitung wurde mir vorgesetzt. Ich genoss es. Ich spielte mit keinen falschen Karten. Wie ich bewirtet wurde, ging aus meinen Beiträgen hervor. Man könnte von Bestechung reden, wurde gestichelt. Unsinn! Ich war kein Restaurantkritiker. Die Restaurants beschrieb ich den Hörern als die kommunikativen Zentren der Stadt, die sie nun einmal waren. Dabei half ich den Köchen, sich selbst mit einem Kochtipp den Hörern zu empfehlen.
Im alten Grand Hotel, wo schon Putin logiert hat, werde ich von einem baumlangen Koch empfangen. Er führt mir „Dreierlei vom Kürbis“ vor, ein Chutney, einen warmen Fladen und ein heißes Eis.
„Ja, was denn nun? Heiß oder Eis?“ Der Koch hat nur auf die Frage gewartet, um einen kulinarischen Trick der Molekularküche Ferran Adriàs aus dem Hut springen zu lassen. Der Kürbis wird angeschwitzt, mit Fond und Sahne aufgegossen, püriert und ein Bindemittel dazu gegeben. Es heißt Metilgel und kann per Internet bestellt werden. Die Erklärung kommt prompt und flüssig, er gibt sie bestimmt nicht zum ersten Mal. Die angegebene Menge müsse genau eingehalten werden. Die so erhaltene Masse wird in Förmchen gefüllt, mit Folie abgedeckt und im Ofen im Wasserbad bei 80°-90°C 10-15 Minuten lang erhitzt. Der Koch zieht ein Blech mit Keramik-Näpfen aus der Röhre. Er stürzt die Förmchen und lässt sofort heiß servieren. Eines schiebt er mir zu. Bei 60°C würde es wie Eiscreme schmelzen. Die Masse hat die Festigkeit von einem Pudding und noch warm mutiert sie über verschiedene Festigkeitsstufen zu einer Kürbissuppe. Das Spektakel in meinem Mund nimmt mich gefangen. Der Koch grinst. Ich richte das Mikro in sein Gesicht. Überraschung als Kompositionsprinzip kommt auch in anderen Kunstrichtungen sogar im Fußball vor. Der Kaninchenrücken daneben harmoniert übrigens mit dem heißen Kürbiseis. Im Hintergrund sind Restaurantgeräusche zu hören.