Le Lotte nella Radio di Weimar – Kap.2 Ottmar Schmieling Kommunikation 18

Nicht die darin enthaltenen Kalorien, wie das einige meiner Freundinnen zu untersuchen pflegten, sondern die Cents waren es, nach denen ich Essbares beurteilte. Die Produkte sollten möglichst ursprünglich und unbehandelt sein. Qualität, lernt man als Arbeitsloser, lässt sich aufrecht erhalten. Anstatt Geld kommt es darauf an, Arbeit, Sorgfalt, Phantasie und Geduld auf den Teller zu bringen.

Einfach einmal, so wie gewohnt, an einem Straßen-Bratrost eine Bratwurst zu nehmen, ging nicht. Eine fertig gebratene Bratwurst, das waren 180 Gramm Fleisch für zwei Euro fünfzig, rechnet man das Brötchen ab, so waren das ca. 12 Euro pro Kilo Bratwurst. Für weniger als fünf Euro gab es schon gemischtes Hackfleisch, mit Preissenkung wegen kurzer Haltbarkeit sogar unter vier Euro. Eine Bratwurst am Stand war daher eine Ausgabe in einem Rahmen, wie sie früher als „Essen gehen“ gelaufenwäre.   

Zu Hause hatte ich einen Vorrat an Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Stangensellerie, Möhren sowie geschälte Tomaten als Konserve und als trockene Lebensmittel Nudeln aus Hartweizengries, Patnareis und Rundkornreis für Risotto angelegt. Mit Hackfleisch ließ sich zum Beispiel ein Sugo, eine Spaghetti-Sauce, herstellen. Zweihundertfünfzig Gramm reichten für vier Portionen und kosteten etwa einen Euro, mit allen anderen Zutaten vielleicht eins-fünfzig. Auch andere Zusammenstellungen wie Reis oder Kartoffeln und ein Salat oder ein Gemüse der Saison lagen noch innerhalb der Auswahlkriterien. Daneben reichte es gelegentlich für ein Stück Fleisch oder Fisch. Bei dieser Art tierischer Proteine allerdings hakte es. Der Rauchmelder hatte sich in mein Bewusstsein eingefressen und bis hin zu meinen Einkaufsgewohnheiten verlängert. Fleisch oder Fisch gab es nur noch zum Kochen, Dünsten oder Schmoren. Schon der Gedanke an Kurzbraten ließ meine Atemfrequenz ansteigen. Zwischen den Steaks und mir herrschte eine Abstoßungsreaktion wie bei gleichgeladenen Magnetpolen. So konnte es nicht bleiben.

Für die Installationsfirma war die Rauchmelder-Affäre gelaufen. Am Tresen bekam ich die Auskunft, ich müsste einfach nur die Batterien herausnehmen. Der Spezialist, der es erklärte, vermittelte das Gefühl, als hätte er bisher in eigener Regie und Verantwortung noch keine Aktion wie diese durchgeführt. Detailfragen wich er aus. Das Dilemma blieb. Um das Problemein für allemal zu lösen, traf ich Vorbereitungen. Ich stellte einen Stuhlunter den Rauchmelder. Eine Zange und einen Schraubenzieher, man konnte ja nie wissen, hatte ich mir zurecht gelegt. Ich stieg auf die Sitzfläche. Das Gerät, das Rauchmelder genannt wurde, ließ sich in Zeitlupe aus seiner Camembert-Schachtel-großen Fassung an der Decke drehen. Äußerste Vorsicht war geboten. Mein Atem blieb angehalten. Es heulte los.

Der Alarm, den es schon einmal veranstaltet hatte, erfüllte Räume und Sinne. In höchster Konzentrationund mit blitzschnellen Bewegungen versuchte ich, um an die Batterie zugelangen, etwas an dem Teil zu öffnen. Ich nestelte mit der Zange, hebelte mit dem Schraubenzieher, erfolglos. Ich gab mich geschlagen. Zum Zeichen meiner Kapitulation steckte ich das Teil in seine Fassung zurück. Es nützte nichts. Vermittlungsbereitschaft war nicht das, was in der Situation angemessen war. Das Teil weigerte sich, sich zu beruhigen. Von einem Schwall Adrenalin getrieben, füllte ich einenEimer mit Wasser. Ich stellte ihn ab, stieg hoch, riss das Teil aus der Fassungund warf es in den Eimer. Ruhe.

Nur noch ein grellrotes Blinken am Grund des Eimers. Ich nahm es wieder heraus. Aus einem Schnarren und Brummen heraus versuchte es sein akustisches Folterinstrument neu zu formieren. Ich ließ es fallen. Den zweiten Rauchmelder holte ich, das Verfahren hatte ich kennengelernt, unter nicht weniger durchdringendem Jaulen von der Decke und versenkte ihn daneben. Den schwarzen Plastikeimer aus einem Angebot im Supermarkt füllte ich im Bad randvoll auf. Vom Grund des nassen Verlieses wurden mir aus einer trauten Zweisamkeit wütende Lichtsignal in  gleisendem Rot entgegen geschleudert. Sie hatten verloren. Ich stellte meinen Fang neben die Klosettschüssel.

Erst nach Tagen wurde der Takt ihres Blinkens, so kam es mir vor, schleppender. Jede Sitzung auf der Sanitärkeramik wurde zur kritischen Prüfung. Nach einer Woche schien die Wasserhöhe um einige Zentimeter gesunken zu sein. Ich füllte nach.

Nach etwa zwei Wochen war ich mir nicht mehr sicher. Ich löschte das Licht. Das Bad lag innen und wurde über einen Schacht entlüftet. Auge in Auge mit dem Ungewissen verharrte ich in Beobachtung. Und da, kaum wahrzunehmen, ein erschöpftes Aufglimmen aus Blutrot. Zeit und Raum waren in der Finsternis versunken. Ich erwachte aus meiner Trance und war erleichtert. Hatten mich doch meine Zweifel noch knapp zurückgehalten, einfach so in das feuchte Schwarz des Eimers zu greifen.

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