In den Spätsommermonaten finden in Jena, der Nachbarstadt, Jazz- Konzerte unter freiem Himmel statt. Unter den Bands, ‚Nils Landgren Funk Unit’ eine schwedische Formation, die klingt, als käme sie aus den USA. Nichts von der coolen skandinavischen Färbung.
Nils Landgren hat sowohl mit Herbie Hancock als auch mit Maceo Parker gespielt. Tom kennt seine Musik nur vom Hören. Anfänglich habe er ihn für einen Schwarzen gehalten. Er habe angenommen, vielleicht einer aus der Folge der Vietnam-Desserteure nach Schweden während der Siebzigerjahre. Don Cherry hätte das doch so gemacht.
Tom hat sich mit dem Thema ‚Nils Landgren‘ beschäftigt. Er hat wie immer keine Aufzeichnungen. Noch vor dem Auftritt wird er Backstage geführt. Großzügige Räume. Was er trinken wolle. Nils Landgren begrüßt ihn, entschuldigt sich, er sei gerade eingetroffen und habe Hunger. Kanapees werden gereicht. Er fordert Tom auf zuzugreifen. Tom lehnt ab. Er besteht darauf. Tom will sich nicht zieren.
Herbie Hancock und Maceo Parker, der Saxophonist von James Brown, mit denen er gespielt habe, seien immerhin zwei Pole in der schwarzen Musik, auf derselben Seite zwar, aber weit auseinander, der eine sophisticated, Avantgarde Jazz, der andere Superfunk, d.h. Basis, Ghetto, Soulbrother number one.
Nils Landgren bestätigt, auch innerhalb der black community sei man entweder Fan des einen oder des anderen, aber selten sowohl als auch.
Er sei doch als Künstler allen möglichen Zeiterscheinungen ausgesetzt, ob er auch Anregungen aus anderen Künsten erfahre.
Nils Landgren dankt für die Frage. Er spricht über die Bilder Gerhard Richters und Sigmar Polkes. Er schätze ihre Kunst hoch ein. Er gibt Querverweise in der Kunstgeschichte.
Er sei ja nicht nur Instrumentalist, wirft Tom ein, er sei auch Bandleader, d. h. er stelle größere Formationen zusammen und darüber hinaus sei er Leiter eines Festivals. Aus vielen Bands entwickle er über Tage ein Programm mit einer gezielten musikalischen Thematik und einer speziellen Atmosphäre.
Nils Landgren bestätigt. Er habe schon so manches verborgene Talent an die Öffentlichkeit geholt. Seine Festivals – es sind bisher mehrere gewesen – leben weniger von anerkannten Stars als von Newcomern. Dass dieses Prinzip sich bewähre, zeigen die wachsenden Besucherzahlen.
Wohin, die Frage könne man nur an einen aus dem „inner circle“ stellen, steuere denn der Dampfer des Jazz. Er habe keine Kristallkugel. Es gäbe zwölf Töne und einiges dazwischen, aber dass daran noch etwas zu erfinden sei, könne man nicht erwarten. Man müsse eben zuhören, was gespielt werde. Jazz sei auch eine Frage des ‚miteinander’. Irgendetwas werde sich bestimmt entwickeln. Jazz sei noch lange nicht am Ende.