Le Lotte nella Radio di Weimar – Kap.2 Ottmar Schmieling Kommunikation 27

Zu seinem Antritt meinte Tennessee Tom gegenüber. „Mach erst mal, was ich sage! Nächstes Jahr wirst du ja dann selbst als Chefredakteur dran sein.“ Wie so oft, zwei Imperative, Gehorsamsprinzip und wahrscheinlich Hegemonie der Wessis. Tom fragte, wie er darauf komme.


„Wirst schon sehen. Das ist immer so.“

Er sprach, was er oft machte, mit einem Blick ins Leere. Manchmal brabbelte er dazu, ‚So was hat der Michael – einer seiner Vorgänger als Chefredakteur – immer noch abends erledigt’. Ihm entwich ein Stöhnen.

Tennessee hielt die bestehenden Regeln durch. ‚Ein Beitrag dauert vier Minuten, dann kommt die Abmoderation und dann wieder Musik ‘

‚Warum?‘

‚Das haben wir immer so gemacht‘  

‚Wir könnten doch bei diesem Thema …‘

‚Das haben wir schon einmal anders versucht und das klappt nicht ‘

‚Die Leute brennen darauf. Warum stemmst du dich dagegen? ‘

‚So geht Radio eben!’

Tom hatte alle Mühe ab und zu einmal ein Drop in, etwa einen Nonsens-Vers, einen Pseudo-Werbe-Slogan oder andere Späßchen im Programm unterzubringen.

Tom lud Tennessee zu seinem Geburtstag ein. Auch Lena forderte er auf zu kommen. Sie hatte sich in einer Demonstration anlässlich des Gerichtsprozesses gegen eine Polizeiaktion in den Tumult geworfen. In Dessau war ein Schwarzer aus Sierra Leone, namens Oury Jallouh im Keller der U-Haft verbrannt. Die beteiligten Polizisten wurden freigesprochen. Man war zu dem Schluss gekommen, dass der bewusstlose und gefesselte Gefangene seine Liege, die dazu auch noch schwer brennbar war, selbst entzündet haben musste. Warum er das getan haben sollte, wurde nicht weiter ausgeführt. So sind sie eben, die Afrikaner, unberechenbar, stand unausgesprochen im Raum. Lena klemmte sich dahinter und benannte in ihren Beiträgen das, was geschehen war, als das, was es war, nämlich Mord.

Tennessee und Lena verstanden sich beide als Hausbesetzer. An Toms Geburtstagsabend plauderten sie ausschließlich miteinander. Lena war eine athletische, blond gelockte, ledige Mutti. Ihr Sohn überragte sie schon fast. Bei einem zufälligen Treffen nachmittags in der Stadt begleitete Tom sie ein Stück. Sie klagte, sie hätte eine Harnwegeentzündung. „Weißte, bei Frauen ist das anders. Da tut das höllisch weh. Die haben einen kürzeren Harnleiter.“

Tom wusste, dass sie Naturheilverfahren schätzte. „Komm mit, ich weiß da was dagegen. Da drüben im Reformhaus haben die Harnwege- und Nierentee.“

„Nee, danke, hilft nichts. Was man braucht, sind Cranberries.“

„Cranberries sind Preiselbeeren. Das haben die bestimmt auch in irgendeiner Form.“

„Danke! Preiselbeeren nützen nichts. Das müssen Cranberries sein, da ist irgendwas drin. Und Cranberries hamm die nicht. Hab’ schon gefragt.“

Sie bot Tom an, mit zu ihr nach Hause zu kommen. Er willigte gerne ein. An ihrem Küchentisch fragte Tom ihren Sohn, ob er Mathematik mochte. Er bevorzugte Biologie. Ein Mieter vom Stockwerk darüber kam in die Küche, er müsste gleich weiter. Die beiden umarmten sich. Der Hausgenosse war Erstsemester in Mediengestaltung. Er hatte eine dunkler getönte Hautfarbe, sinnlich aufgeworfene Lippen und weiche Züge in einem schmalen Knabengesicht. Tom tippte auf Nordafrikaner. Er war Türke. Warum er kein traditionelles Fachgebiet, wie Philosophie oder Geschichte gewählt hätte. Er hätte sich schon im frühen Kindesalter für Filme begeistert. Er wollte unbedingt etwas in der Richtung betreiben. Er hatte eine offene Art, er antwortete und verabschiedete sich freundlich.

„Ein attraktiver, junger Mann“, merkte Tom an. Lena seufzte, „Ich bin ja so verknallt!“

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