Le Lotte nella Radio di Weimar – Kap.1 Gründer (23)

David kommt aus einer Besprechung im Chefzimmer in den Redaktionsraum. Der Manager, Tennessee und der Programmchef sitzen noch drin. David ist seit mehr als fünf Jahren Chef der Musikredaktion. Alles an ihm ist klein. Er hat einen kleinen Kopf mit einem kleinen Gesicht.

 Kurz unter der kleinen Unterlippe noch über den Kinnpolstern hat er schon seit längerer Zeit ein kleines Dreieck stehen lassen. Er hat es violett eingefärbt. Es sieht aus wie ein kleines Möschen. Er schaut durch seine Umgebung hindurch, lächelt und macht insgesamt den Eindruck, als sei er ferngesteuert. „David, was iss ’n los?“

Die hamm mich gefeuert.“

Red’ kein’ Scheiß’!“

Doch, doch ich bin rausgeschmissen worden.“ Er schüttelt den Kopf.

Warum denn?“

Er lacht los, zieht die kleinen Schultern hoch bis der kleine Kopf fast dazwischen verschwindet?

Für wann biste denn gekündigt?“

Überhaupt nicht, bin schon draußen.“ Wieder lacht er schrill. „Wer für morgen die Musik macht, weiß ich nicht.“ Er schaut sich die Gesichter der Umstehenden an, sagt „Interessiert mich auch nicht.“ und geht.

Später kommt Tennessee aus dem Zimmer. „Ihr könnt doch den David nicht einfach so rausschmeißen.“

Warum denn nicht?“

Wie soll der denn zum Beispiel den Monat die Miete zahlen?“

Das Stadtradio muss auch Miete zahlen. Und wir wissen auch nicht wie.“

Ich taste vor. „David arbeitet doch zuverlässig. Wenn so etwas passiert, setzt du dich da nicht für denjenigen, also hier für den David, ein?“

Der macht zuverlässig seine Playlists, ja, kann sein, aber der hat immer noch keine Band für das Sommerfest engagiert, obwohl wir es ihm erst neulich gesagt haben. Da musst du immer hinterher sein. Und außerdem hat der so eine komische Haltung. Der motzt immer rum, anstatt sich zu beteiligen.“

Der ist doch immerhin schon seit fünf Jahren dabei. Ihr könnt den doch nicht einfach so von heut‘ auf morgen vor die Tür setzen!“

Hast du ’ne Ahnung! Soll ich dir mal erzählen, wie ’s vorletztes Weihnachten war. Wir hatten die letzte Vormittagsmagazinsendung vor Heiligabend, ich hab’ moderiert. Da kommt, als ich einen Track abfahre, der Manager ins Studio und sagt: ‚Tut mir leid! Nächstes Jahr wird nichts mehr bezahlt. Kein Geld mehr da.’ Ende! Da stand ich, kurz vor Weihnachten, keine Arbeit mehr und sollte einfach so in der Moderation für die Weihnachtssendung weitermachen.“

David ist in der Folge abends ins Nero gekommen. Er hat betont, dass ihm die Kündigung gar nichts ausmache, im Gegenteil. Es komme ihm ganz gelegen. Jetzt könne er endlich nach Australien auswandern. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen.

Nein, nein, nein. Das hat überhaupt nichts mit dem Stadtradio zu tun.“ Er hat mich herausfordernd angeguckt, hat dabei sein Möschen am Kinn mit dem Zeigefinger gehalten. „Ich will nun halt mal sowieso in Australien weitermachen. Kapierste das etwa nicht?“

Ich habe die Angelegenheit noch einmal in der Redaktion angesprochen. Es gehe nicht nur um Kritik an der Leitung wegen dieser unkollegialen Entscheidung. Mit demokratischeren Strukturen könne so etwas für alle Zeiten abgestellt werden.

Tennessee hat geantwortet: „Wir haben das schon immer so gemacht.“

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