Le Lotte nella Radio di Weimar Kap.2 Ottmar-Schmieling-Kommunikation 1

Aufregung am runden Tisch in der ‚Blauen Rose’, Kurt mittendrin, „Ich geb’ denen doch keine Anzahlung und dann kommen die nicht. Das sind Russen.“

„Was soll denn das? Russen sind auch nicht anders, die jungen wie dieser Nikita schon mal gar nicht.“, sagt einer.

Bei Russen muss man vorsichtig sein. Da hat Kurt recht.“, bestätigt ein anderer.

Karin, die Genossin, fällt ein, „Nikita spielt Gitarre, der Bassist ist auch Russe und der Schlagzeuger ist ein Deutscher. Alle drei sind Musikstudenten, die ein Trio formiert haben und scharf darauf sind, irgendwo aufzutreten, um mit ihrer Jazz-Mugge ein bisschen Geld zu verdienen. Du sagst ‚Das sind Russen’. Was soll das, Kurt? Das sind junge Leute, die ihr Talent wahrscheinlich unter Wert verkaufen. Also stell dich nicht so an!“

Kurt erwidert: „Eine Bekannte von mir wird achtzig. Vielleicht wird das ihr letzter Geburtstag oder ihr letzter runder Geburtstag. Ich möchte ihr die Musik dazu schenken. Und das soll klappen. Verstehste das denn nicht? Bevor das schief geht, will ich da lieber überhaupt nichts oder was anderes machen.“

Wenn de dich so anstellst, warum haste denn die genommen?“ fragt einer.

Die machen gute Musik. Die sind nicht so teuer. Und außerdem können die ein paar russische Lieder. Die Bekannte, von der ich rede, war mal Russischlehrerin.“

Ich muss lachen, „Gundilein?“

Kurt nickt.

Ich hab’ doch nichts gegen Russen. Ich kenn’ die nur. Ich weiß genau, wie Russen denken. Andere merken das erst, wenn ihnen einer mit Akzent daher kommt. Ich sehe das schon von weitem. Es ist die Art, wie sie sich bewegen, wie sie sich kleiden, die Mimik, der Ausdruck. Ich weiß auch nicht woran, ich erkenne sie jedenfalls. Ich und was gegen Russen haben! Karin du hast doch ’n Knall! Die sind immer oben an mein Küchenfenster gekommen, weißt ja, das ist ebenerdig. Die haben auf mich gewartet. Ich hab’ denen Brote geschmiert oder eine Zigarette oder was zum Trinken, also Schnaps oder so, gegeben. Die Russenkaserne war doch ganz in der Nähe.“

Gabi ist hinter dem Tresen hervor getreten und verschränkt die Arme. „Und wenn’ se die erwischt hätten, die hätten die erschossen. Das glaubste aber! Da sind die brutal gewesen. Die hamm ihre Soldaten behandelt wie Dreck. Die hätten die auch ohne dasse beim Kurt geschlaucht hätten, nur weil se aus der Kaserne abgehauen sind, erschossen.“

Kurt winkt ab: „Na ja Gabi, meinste wirklich?“

Gabi stemmt die Fäuste in die Hüften.

Er schildert: „Die haben ein ganz normales Leberwurstbrot, als hätten sie seit Wochen nichts gekriegt, runter geschlungen. Und die haben dabei Gesichter wie Kinder an Weihnachten gemacht.“

Gabi knurrt: „Will noch jemand was? Ich mach dann auch bald zu.“

Gabi was ist denn los? Es ist gerade mal halb zwölf.“ beschwert sich einer.

Ich seh’ das nicht mehr ein. Abend für Abend steh’ ich hier, ruinier’ meine Gesundheit und wozu? Nur dass ich ein paar Euros auf eure Deckel schreiben kann.“

Kurt hält sein Portemonnaie in der Hand. Er hat bei Gabi noch einen Deckel offen, will aber trotzdem Münzen für Zigaretten wechseln. Er nimmt zwei hellblaue Scheine, sieht, dass es Zwanzigkronenscheine sind – er war kürzlich in Tschechien. Mit einem Schwung hat Gabi sie ihm weggeschnappt.

Gabi lass doch! Das ist tschechisches Geld.“

Mir doch egal. Geld ist Geld.“ Gabi dampft ab. Kurt kann sich kaum halten vor Lachen. „Das sind kaum zwei Euro.“ Er winkt ab. „Sie hat Beute gemacht. Lass ihr den Triumph!“

Gabi wird in letzter Zeit immer unangenehmer. Sie reibe sich für ihre Gäste auf, außerdem wären es viel zu wenige, die kommen. Ihr zu sagen, das solle sie doch bitte nicht ausgerechnet denen, die gerade da sind, vorwerfen, nützt nichts. Auch jetzt gehen einige. Einer setzt sich an den Tresen und mault. Kurt und ich sind die letzten am Stammtisch. Wir sitzen vor halbvollen Gläsern.

Weißt Du, der Egon, der Russe…“

„… der Ukrainer Igor!“

Ja … der war ganz weich. Irgendwie war der wie ’ne Frau.“, meint Kurt.

Red’ keinen Scheiß!“

Der wollte sich immer anlehnen. Du kannst dir das vielleicht nicht vorstellen. Der hat mir mal von sich erzählt, abends auf der Wiese oben vor meinem Haus. Der hatte ein Tagebuch wie ein kleines Mädchen, so ein Poesiealbum oder wie die das nennen.“

Ausgerechnet der Hüne! Der hat doch Kraft wie ne Sojus-Rakete gehabt. Und der hatte auch, wenn’s nötig war, keine Angst, mal draufzuhauen. Kurt, Du verwechselst Wunsch und Wirklichkeit. Der war doch wirklich männlich.“

Der hatte täglich in sein Tagebuch notiert gehabt und er hatte neben mir auf der Wiese gelegen und er hat geblättert und hat mir ausgeschnittene Bildchen gezeigt, meistens er zusammen mit seiner Olga irgendwo und dann Olga schwanger und dann natürlich sein Söhnchen als Baby. Ganz hinten hatte er ein Photo von einer Fellatio, also weißt schon. Das hatte er aus einem Porno ausgeschnitten. Ziemlich billig, das haste am Druck und am Papier gemerkt. ‚Das hat die Olga nie mit mir gemacht’ hat er gesagt. Es hat ziemlich traurig geklungen, also eigentlich richtig niedergeschlagen. Das hätte die doch mal bringen können! Ich weiß auch nicht, was sich manche Frauen so denken. Der hat die doch gern gehabt. Die hätte das doch mal machen müssen. Also, Frauen gibt ’s!“

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