Le Lotte nella Radio di Weimar – Kap.3 Sylvias Hauptrolle 12

Der Rückweg führte nahe an einem von Toms Bauten vorbei. Er bat den Lokalnachrichtenredakteur, doch bitte einen Schlenker zu fahren, er wollte einen Blick darauf werfen. Sein ehemaliger Bauherr war abgetaucht. Die Veröffentlichung hätte den Durchbruch einleiten sollen.

Tom hatte sich zusammen mit dem Photographen einer Architekturzeitschrift angemeldet. Nichts hatte geholfen. Der Bauherr hatte sich zumindest Tom gegenüber eingemauert.

Das Gebäude lag hinter einer Bodenwelle in einer Senke. Das Grundstück erstreckte sich über einen halben Hektar. Es wurde von der Talseite, von der Straße her, auf der sie sich näherten, erschlossen. Nur ein geringer Teil der Dachfläche überragte die Topographie.

Nach dem ersten Weltkrieg war auf dem Anwesen ein Mehrfamilienhaus errichtet worden. Exotische Ziersträucher, von den Bewohnern angepflanzt, hatten die Zeiten überdauert. Sobald ihre Stammdurchmesser zehn Zentimeter überschritten hatten, was mittlerweile bei allen geschehen war, standen sie unter der Baumschutzverordnung. Das ehemalige Wohnhaus war komplett abgerissen und planiert worden. Tom hatte jeden einzelnen Standort dieser Zier-Bäume in seinen Entwurf einbezogen. Wechselbeziehungen zwischen Innen und Außen relativierten Räume. Wohnbereiche wurden durch Bäume begrenzt. Die damit verbundenen Schwierigkeiten hatten sich in einen besonderen Reiz gewandelt. Kein einziger dieser Exoten hatte gefällt werden müssen.

Der Lokalnachrichtenredakteur parkte seinen Opel am Straßenrand. Das Tor des Anwesens hatte nicht einmal mehr so eine profane Vorrichtung wie eine Klingel. Tom hatte bei einem zufälligen Treffen im Supermarkt von dem ehemaligen Gärtner erzählt bekommen, dessen Auftraggeber, bzw. Toms Bauherr, der Chef einer Steuerberatungsagentur, hätte – angeblich Betrug – nicht nur die Hand heben, sondern auch in den Knast einfahren müssen.

„Der mag ein unsympathischer Mensch sein, aber ein gerissener Hund ist er.“ hatte man gelegentlich über ihn hören können. Für sein Gewerbe entsprach das zu der Zeit einem Kompliment. Rechtsanwälten oder Steuerberatern sagte man gerne Gefährlichkeit, die vornehmlich Menschen aus dem Westen zu Eigen wäre, nach. Bei anderen, zum Beispiel bei Architekten, hätte eine derartige Einschätzung zum Untergang geführt. Toms Bauherr dagegen hatte aus einem kleinen Büro ein florierendes Büro für Steuer-, Anlage- und Finanzierungsberatung aufbauen können.

Das Haus hätte, war von dem ehemaligen Gärtner beim Einkauf im Supermarkt zu erfahren gewesen, nachdem er aufgeflogen wäre, versteigert werden müssen. Jetzt werde es von dem bekannten Sportartikelgroßhändler bewohnt. Tom hatte im Internet recherchiert. Sein ehemaliger Bauherr war komplett vom Bildschirm verschwunden. Unter seiner Wohnadresse stand der Sportartikelgroßhändler, ein Unternehmer, der bundesweit agierte.

Das Nachbargrundstück, ehemals eine Anlage mit Tennisplatz, ist mit kleineren Hausgruppen bebaut worden. Eine Stichstraße erschließt die Einfamilienhäuser für Postboten, Besucher, Anlieferung usw. Tom geht zusammen mit dem Lokalnachrichtenredakteur ein paar Schritte die Wohnstraße entlang. Er zeigt ihm die Villa aus der seitlichen Perspektive von unten. Die Nutzfläche, achthundert Quadratmeter, entspreche dem Volumen eines viergeschossigen Wohnhauses mit jeweils zwei bis drei großen Wohnungen pro Etage. Der Lokalnachrichtenredakteur zeigt Verblüffung, „Sieht gar nicht so aus da oben.“

Was man da sehe, erklärt Tom, sei der Rand des Erdgeschosses. Es schiebe sich als großer Fladen nach hinten, von hier aus  nicht sichtbar, mit den gängigen Nutzungen eines Kellers in den Hang hinein. Stauräume oder Funktionsräume mit Heizungs- und Schwimmbad-Technik seien dort untergebracht.

Es ist später Nachmittag. Der Hang, ein Südwesthang, liegt in der Sonne. Die Fenster, von der Wohnstraße aus einsehbar, lassen Licht in den Konferenzraum einfallen, ein halböffentlicher Bereich zwischen Garten und privatem Wohnen. Daneben, hinter einer Bodenwelle und einigen Bäumen seien Hauswirtschaftsraum, Küche und die untere Ebene des Wohnzimmers angeordnet. Die Geländer an der Dachkante begrenzten die Oberfläche des Flachdachs über dem Erdgeschoss. Es sei über die gesamte Fläche mit einem Rasen, der sich gegen den Hang fortsetze, begrünt. Der Bauherr hätte das Gebäude mit Frau und Tochter bezogen. Die Wohnräume, das Schlafzimmer der Eltern, der Tochter und der Gäste, der obere Galeriebereich des zweigeschossigen Wohnzimmers von denen nur ein Teil der Dächer sichtbar seien, ragten als selbstständige Baukörper aus dem Rasen. Der Rasen mit einem Teepavillon sei die innere Wohn- und Grünfläche, an den alle Schlaf-, Kinder- und Gästezimmer angeschlossen seien. Zudem diene er über Schiebetüren dem Hallenbad als Liegewiese. Der Vortrag, den Tom gerne einmal gehalten hätte, wird lebendig. Eine über Jahre angestiegene Erfolgsstrecke war jäh abgerissen.

Das Hallenbad teilt sich als Glaskubus mit. Tom beschreibt Gebäudeteile die nicht oder nur in kleinen Ausschnitten zu sehen sind. Insgesamt für den Lokalnachrichtenredakteur weniger eine Besichtigung als Ahnungen, die er sich selbst nach Toms Schilderungen zu einem Haus imaginieren muss. Als höchster Aussichtspunkt sei im Geschoss über dem Komplex das Kaminzimmer mit umlaufenden Fenstern platziert, ein Ausguck über den Baumwipfeln. Aus den Gesprächen mit dem Bauherrn wäre diese Lösung entgegen allen Gewohnheiten entstanden. Der Kamin sei in die Glasfläche des Panoramafensters gefasst. Man könne am späten Abend auf der Couch liegend das Kaminfeuer betrachten, wie es sich allmählich flackernd gegen die untergehende Sonne behaupte.

Mit einer Beverly-Hills-Villa vor Augen, hätte der Bauherr räumliche Verschwendung betreiben wollen. Tom hätte jegliche Gigantomanie vermieden ohne das räumliche Programm einzuschränken. Kein Schloss, kein Herrschaftsgestus mittels Masse, wäre sein Prinzip gewesen. Das Gebäude sollte eher den Eindruck eines aus Kleinelementen zusammengesetzten Siedlungsensembles vermitteln.

„Was machen Sie denn da?“

„Wir schauen uns das Gebäude da drüben am Hang an.“

„Dürfen Sie das denn?“

„Ja.“

„Ich meine, haben Sie denn den Hausbesitzer gefragt?“

Eine Stimme irgendwoher aus dem Off.

„Würden Sie sich bitte zu erkennen geben!“

Ein kleiner Junge ist mit seinem Fahrrad nahe an sie heran gefahren und glotzt.

„Ich bin hier in dem Schuppen vor Ihnen.“

Tom wendet sich an den Kleinen. „Weißt Du, wo der ist, der da spricht?“

„Mein Papa, ja.“ Der Kleine weist auf eine der hölzernen Gartenhütten. Ein stämmiger Mittdreißiger mit kurzer Hose, Anglerweste und gestutztem Vollbart kommt aus der Deckung. Er stellt sich wenig weiter vor sie auf die Straße.

„Ich bin der Architekt des Gebäudes da oben. Ich habe hier gebaut als ihr Anwesen noch ein Tennisplatz war.“ Tom zeigt auf das Gebäude am Hang. „Wir wollen meine Arbeit besichtigen.“

„Architekt, sagen Sie?“

„Ja“

„Ich bin Eigentümer des Grundstücks und des Hauses, was sie hinter mir sehen. Sie bewegen sich auf Privatgelände. Wer sagt denn, dass, wie sie hier das Haus begutachten, dem Besitzer da oben recht ist.“

Tom schüttelt den Kopf, gibt dem Lokalnachrichtenredakteur ein Zeichen und sie gehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert